02.12.11

Das Ganze Set


Das Ganze Set

Technician: So, wir könnten dann mal mit dem Schlagzeugcheck anfangen....bitte die BASSDRUM zuerst, schön durchtreten, weißt ja wie das geht...
Artist: bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....
T: O.k., einen Moment bitte...ich muß hier kurz was checken...
....Eure Tour läuft ganz gut, oder?...Außer den Lücken, so zwischen Berlin und Lublijana sechs Tage off, hab ich gesehen, das ist natürlich nicht so toll, wie kommt so was eigentlich, komisches Booking...
Aber hier wird‘s ja ein Heimspiel heute, also da braucht ihr euch keine Sorgen machen, da kommen auf jeden Fall Leute......
Bitte nochmal die BASSDRUM, danke....
A:bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....bum...bum....
T: Ich heiß übrigens Nancy, nur damit du weißt, mit wem du‘s zu tun hast, ich schmeiß hier den Laden: also ich mach das Booking, den Sound und nachher steh ich auch hinter der Bar, und wenn ihr was braucht, könnt ihr euch gerne an mich wenden.
Übrigens besser nicht an Sid, der macht zwar auch Bar, ist aber der einzige Mensch, den ich kenne, der mal von einer Lawine verschüttet worden ist - seitdem ist er ein bißchen langsam und sein Hund beißt, aber keine Sorge, Göring ist eigentlich immer im Getränkelager eingeschlossen und passt da auf.
So, und jetzt bitte die SNARE.....

A: tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....

T: Ich war ja erst skeptisch, von wegen Ausstellung und so, ich dachte, dann kommen sicher lauter so Wichtigtuer, also bei Ausstellung denk ich erstmal, da machen sich welche wichtig...
weiter bitte...

A:tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak...tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak....tschak...tschak...

T: Übrigens - eine Sache noch: daß ihr mir hier bitte nicht auf die Bühne kotzt oder so, von wegen Museum, weil auch wenn das hier jetzt Ausstellung genannt wird, wollt ich nurmal sagen, ist das hier trotzdem kein Museum.
Agnostic Front nämlich, kennste vielleicht, die haben das mal gemacht, in einem Museum in New York, lustig war das schon. Der Sänger sagt: ‚Wisst ihr, was mir dazu einfällt, wenn wir im Museum spielen?‘ und dann steckt er sich den Finger in Hals und kotzt auf den Marmorfussboden - kann man sich auf Youtube anschauen.
Da war auch gleich noch so ein Link zu einem Video, wo die Neubauten zusammen mit Genesis P. Orridge in einem Londoner Museum mit einem Presslufthammmer den Boden aufhacken. Ziemlicher Skandal damals. Das ist sogar vor zwei Jahren oder so nochmal komplett nachgestellt worden, in dem Museum, so live. Hab‘ ich mir auch angeschaut auf YouTube und erst gar nicht gecheckt, daß das nicht dasselbe Video ist. Das war auch die ganze Ausstellung, nur das Video. Fand ich erst komisch, das so nachzustellen, aber dann dachte ich, vielleicht macht das tatsächlich Sinn, um sich so etwas mal ganz genau anzuschauen: was ist da damals eigentlich passiert und warum und was sind die Unterschiede zu heute. Vielleicht auch deshalb als Ausstellung, um mal einen Aufblick zu bekommen, um mal die Ruhe zu haben, Konzentration zu bekommen, sich wirklich was anzuschauen, einen Perspektivwechsel zu erzeugen oder zu ermöglichen.
Weil die Leute vor 30 Jahren, die konnten wahrscheinlich gar nichts sehen vor lauter Echtzeit.
Die haben vielleicht nen Schock gekriegt und sind ohnmächtig geworden, wie so kreischende Mädchen bei Elvis, weil plötzlich war da ein Geschmack verbotener Lust, genährt vom trunkenen Pulsschlag reinen Lärms und unkontrollierter Zerstörung.
Ich mein, es ist normal, daß alle kreischen und jubeln und so Ekstase machen, weil sonst wär‘s kein Rockkonzert - und irgendwie will man ja immer jemanden sehen, der sich für einen Opfert. Und wenn sich der Sänger von Agnostic Front im Museum den Finger in den Hals steckt und auf den Marmorfussboden kotzt, dann ist das ja eine Erleichterung für mich, weil ich dann nicht mehr selbst dahin muß und auf den Boden kotzen, wenn ich das wollen würde...aber heutzutage wollen ja eigentlich alle lieber im Museum auftreten als im Museum kotzen, weil im Kunstbereich, da gibt es Gelder.
Natürlich sind diese Gelder schlecht verteilt, vielleicht 20% der Künstler können von ihrer Arbeit überhaupt in Vollzeit leben und von diesen 20% sind 15% Maler und nochmal 4% Fotografen.
Die 20% künstlerische Einnahmen teilen sich dann nochmal auf in Einnahmen über den ‚freien‘ Markt und in Einnahmen über Stipendien und Subventionen, die ihrerseits wiederum meist privater Natur sind, nämlich Sponsoring.
Kultureinrichtungen im allgemeinen finanzieren sich natürlich ebenfalls hauptsächlich über Subventionen oder Sponsoring oder Mischformen von Beidem - Förderungen, die sie eher bekommen, wenn sie hohe Besucherzahlen vorweisen können. Besucherzahlen, wie sie ihnen eine junge erfolgreiche Band garantiert - und da die Tendenz generell zum Vergreisen geht, fällt es bei Vergabe von Fördergeldern sicher zusätzlich positiv ins Gewicht, wenn z.B ein Theater nachweislich ‚junges Publikum‘ anzieht. Bands also beispielsweise ans Theater zu bringen, rentiert sich demnach für alle Beteiligten und als Musiker hast du auf dem Kunstmarkt also vielleicht sogar bessere Chancen als im Musikbusiness.
Schon 1984 sind die Neubauten mitsamt ihren Betonmischern ja schließlich von Menschen in verantwortlichen Positionen in dieses Museum eingeladen worden, also ausdrücklich aufgefordert, sich dort zu äussern. Vielleicht nicht einmal aus rein ökonomischen Gründen, sondern eventuell aus wirklichem Interesse. Denn natürlich ist es wichtig, wenn beispielsweise ins Theater auch andere Sachen reinkommen, so Sachen, ich nenn die jetzt mal Leben.
Weil darum geht es ja: wie lebt man so ein Leben und kann man das besprechen.
Und ist das verhandelbar, lebt also, oder ist gleich von vorneherein der Schrank zu, Affe tot...Will man den aber nicht, den sofortigen Tod, dann stellt man vielleicht aus Pfiffigkeit, Hilflosigkeit, Experimentierfreudigkeit oder Hoffnung den Schrank vielleicht einfach mal auf die Bühne, lässt ihn da stehen, schaut aber ab und zu rein und prüft, was abgeht mit dem Affen, ob der Affe im Schrank nun eher tot oder eher lebendig ist.
In den Schrank reinschauen sollte man dann schon, auch wenn‘s schwerfällt. Denn schaut man nicht hinein, ist der Affe nämlich genaugenommen gleichzeitig tot und lebendig - ein Zombie-Affe, eine Witzfigur, die da rumkaspern kann, was allerdings keine Sau juckt.
Man erhofft sich ja aber was von dem ganzen Aufbau da, nämlich Leben, also Handlungsfähigkeit. Und so begibt man sich (freiwillig) in Gefahr - denn kommt man dem Affen zu nahe, wird dieser vielleicht sauer und greift einen an, zwingt einen also zu Reaktion und Handlung, so Nahkampf. Und dann plötzlich Massenhysterie oder aber auch der Geschmack verbotener Lust, genährt vom trunkenen Pulsschlag reinen Lärms und unkontrollierter Zerstörung.
So aber setzt man sich kontrolliert und gemeinsam auf dem Testfeld Bühne dem Lebe-Affen aus, geht dann raus, auf die Strasse und kann möglicherweise das, was man da eventuell erfahren hat, zum Teilhaben am eigenen Leben gebrauchen.
Als Beispiel die Situation, als sich der Affe Iggy Pop zum ersten mal auf der Bühne schneidet: das muß sehr geil gewesen sein. So geil, daß man danach rausgeht und auf Alles scheißt, weil so ein Iggy einem gezeigt hat, daß auch er auf Alles scheisst: auf seinen Körper und sein Leben und auf sein Publikum auch - weil wenn das Publikum ihn aufessen will, dann bitteschön! - was er will, ist was entgrenzen...und an dieser Entgrenzung nimmt man teil, das findet man gut.
Es passiert also zwar erstmal das, was heute so ein Like-Button macht, nämlich nicht so viel, weil man mit Glotzen beschäftigt ist - dann aber geht man raus und schmeißt irgendwo eine Scheibe ein und hat das Gefühl, ein bißchen mehr an seinem Leben teilzuhaben.
Wenn so ein Bühnen-Affe so was hinkriegt, dann ist das zwar nicht viel, aber immerhin.
Heutzutage wird das im übrigen als Risikofreudigkeit bezeichnet und Risikofreudigkeit kennzeichnet, daß sie kurzfristig scheinbar dem Markt zuwiderhandelt, in Wirklichkeit aber das Einzige ist, was den Markt auf lange Sicht am Leben erhält.

So, nun bitte einmal die FLORTOM...check check....

A:bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...bum...bum...bumm...

...Ich hab übrigens schon mal die Stooges gemischt. Bei der Kieler Woche 93. Ihr hört euch ja auch so ein bißchen nach Stooges an. Ist ja auch nicht einfach für so eine jung Band heutzutage, was Eigenes zu machen. Ich mein, euer Sound ist ganz authentisch....
...Und ich glaub echt, daß heute viele Leute kommen, es ist schließlich viel Werbung gemacht worden und wenn die Leute sehen, daß viel Werbung gemacht wird, dann gehen auch viele Leute hin, weil die denken, die Band ist wichtig.
So könnte es sein, es könnte aber genausgut passieren, daß sauviele Poster hängen, aber keiner schaut die an und die ganze Werbung funktioniert doch eher über Facebook und man fragt sich, lohnt sich das überhaupt, immer diese Poster, immer dieses Plakatieren, voll nervig, man weiß es einfach nicht so genau.
Aber für die Konzerte, die ich veranstalte, geh ich trotzdem jeden Tag plakatieren mit so einem kleinen Eimerchen, den versteck ich in meiner Handtasche, damit die Bullen mich nicht so leicht ficken können. Macht keinen Spaß, immer dieses Plakatieren, aber ich denk, das bin ich den Bands schuldig, Werbung machen, so gut ich kann. Und wenn ich mal keine Poster von der Booking-Agentur oder der Band bekommen habe, dann mach ich selber welche, immer so in meinem Style, damit man die Konzerte, die ich veranstalte, gleich erkennt - so eine Art Corporate Identity. Mir hat sogar mal jemand gesagt, das sei ein Gesamtkunstwerk fast, ein kleiner Andy Warhol fast: hübsche Musik, hübsche Poster, hübsche Bands auch und auch interessant - aber ich mach das einfach für mich selbst, weil‘s mir Spaß macht und das ist gar nicht so knallhart kalkuliert.
Aber vielleicht mach ich ja auch tatsächlich mal ne Ausstellung....
Mit so Konzerten, die man wie Ausstellungsstücke durchnumeriert, so Konzert No.3 von 400 und Poster No.20 von 200 und altdeutscher Schriftzug unten dran. Dann fänd ich das logisch und lustig auch, bei der Ausstellungseröffnung Bands spielen zu lassen, vielleicht sogar meine eigene, ich mach nämlich auch Musik, aber ich komm nicht so oft dazu...
Dann stell ich quasi meinen persönlichen Musikgeschmack, oder was ich für cool halte, aus - was ich im Grunde ja sowieso jedes Mal mache, wenn ich ein Konzert veranstalte, nur daß ich das sonst nicht so deutlich sage.
Und dann wird plötzlich klar, daß meine Funktion darin besteht, zu sagen, was wichtig ist und was nicht und daß ich mich natürlich selbst wichtig nehmen muß mit meinem persönlichen Geschmack und daß ich daran nicht zweifeln darf, weil davon ja ganze Ökonomien abhängen, von denen natürlich wiederum ich abhängig bin, denn letztendlich mach ich natürlich nur einen Job, der dafür sorgt, daß andere auch wieder einen Job haben und auftreten können und den musikalischen Geschmack künftiger Generationen prägen können, die sich dann wiederum wichtig nehmen und mich wichtig nehmen, was wichtig für mich ist, weil es mir den Lebensunterhalt ermöglicht usw.
Wenn ich mir das aber so anschaue, hab ich eigentlich doch nur noch wenig Lust, so eine Ausstellung zu machen. Weil dann hängt ja plötzlich der ganze Raum voll mit Visitenkarten und das entspricht nicht meiner Vorstellung von Kunst - außer ich bin davon überzeugt, daß es natürlich auf jeden Fall eher darum gehen sollte, Visitenkarten an die Wand zu hängen, als gute Kunst. Weil die Visitenkarten sprechen ja wenigstens von einem Grossteil des Lebens, nämlich vom Essen und vom Scheissen.
Dann komm ich vielleicht auch wieder Dahin zurück, mich zu erinnern, daß diese ganze Ausstellungs- und Bandnummer ja eigentlich aus so einer subkulturellen Praxis, so einem Leben herauskommt. In der DDR haben z.b. oft Punkbands auf Ausstellungseröffnungen gespielt, weil es nämlich für diese Bands ansonsten gar keine Auftrittsorte gab und geben durfte - außer Galerien und Kirchen und Wohnzimmern. Die Künstler haben also nicht nur ihre Bilder ausgestellt, sondern auch die Texte der Bands, die ansonsten vielleicht verboten waren, imaginär an die Wand gehängt oder vom Altar runtertröpfeln lassen, so als Herzblut-Beat. Der war auch wichtig für die Gemeinschaft, den hat man auch gebraucht, der hat nämlich Mut gemacht. Und Mut oder Übermut brauchte man, denn es war gefährlich für so Individuen, mit Herzblut rumzumachen - sich quasi zu opfern, um sich gleichzeitig weniger als Opfer zu fühlen, sondern mehr als Handelnde, also mächtig. Das konnte einen nämlich sauschnell in den Knast bringen.
Ich beschliesse also aus so einer Erinnerungsherzblutspur heraus, doch die Ausstellung zu machen, ich stelle aus: ich handele also, daß ich Opfer bin und andere opfere.
Wie alle anderen das auch machen, zumindest 99%. Weil kapitalistisches System. Da bewegt man sich nicht gerade drin herum und man kommt auch nicht gerade heraus. Horizontal schon, so mit 27, aber wenn man’s überlebt, dann auf keinen Fall vertikal, sondern buckelig, zerbeult, brotlos und keine Krankenkasse oder auch einfach kaputt so intern - das Ego ist angeknackst, so daß man sich auf die Couch legen muß, weil man fertig ist, innenrum.
Prince liegt nicht auf der Couch, aber er sitzt in der Sauna, das ist so eine Vorstufe.
Er sitzt mit Rückenschmerzen in Reykjavik in der Sauna und fühlt sich buckelig. Das hat natürlich Gründe: Im Technik-Rider von Prince steht, daß im Backstage-Raum eine hochwertige Hifi-Anlage stehen muß. Der lokale Manager, der das Konzert in Reykjavik ausrichtet, begibt sich also gewissenhaft zum besten Hifi-Geschäft der Stadt und leiht für viel Geld die neueste und beste Anlage aus, die es auf dem skandinavischen Markt gibt. Diese wird im Backstage-Raum von einem Technik-Team installiert. Eine Stunde, bevor Prince dort eintrifft, kommt dessen Tourmanager, um zu checken, ob der Backstage-Raum richtig hergerichtet ist. Als er die Anlage sieht und erfährt, wieviel sie Wert ist, sagt er: ‚um Gotteswillen, das geht nicht, die Anlage muß sofort wieder raus und durch eine günstigere ersetzt werden!’
Kommt nämlich Prince herein und sieht die teure Anlage, will er sie garantiert haben. Das Management aber kann sich nicht leisten, immer diese teuren Anlagen aus den Backstage-Räumen für Prince einzukaufen.
Prince braucht die gute Hifi-Anlage im Übrigen, weil er jedes Konzert aufzeichnen läßt und sich im Anschluss an das Konzert mit allen Musikern im Backstage-Raum die Aufnahme anhört, die sich dort seiner minutiösen Kritik stellen müssen.
Vielleicht würde Prince also noch mehr und andere Fehler hören, wenn die Hifi-Anlage besser wäre. So aber fällt der Tourmanager Prince aus ökonomischen Gründen auf Kosten der künstlerischen Arbeit in den Rücken.
Prince kriegt das natürlich alles mit und ES MACHT IHN KRANK.
Er bekommt Rückenschmerzen, so starke, als hätte ihm jemand einen Gitarrenständer in seinen Poprücken gebohrt. Er geht also frustriert in die Sauna und dort trifft er zufällig Neil Young.
Neil Young hat ebenfalls Rückenschmerzen, weil ein Grundmerkmal des Kapitalismus ist, daß die Entfremdung um so größer wird, je größer die Firma ist und um so mehr Delegierte zwischen die einzelnen Ausführenden geschaltet sind. Wenn beispielsweise ein Kleinunternehmer-Künstlerduo aus Hamburg seine Deutschland-Tour selbst organisiert, mit dem eigenen Auto fährt, beim Veranstalter übernachtet etc., dann ist daran insgesamt nicht viel Personal beteiligt, also wenig Entfremdung möglich. Wenn aber Neil Young auf Tour geht, sieht es ganz anders aus:
Ein Manager reist vorneweg. Er hat die Aufgabe, jeweils vor Ort alles so vorzubereiten, daß keine Überraschungen, kein trunkener Pulsschlag reinen Lärms, stattfinden kann. Der Manager veranlaßt deshalb z.b., das Hotelzimmer komplett auszuräumen. Kein einziges Möbel darf sich darin befinden, denn: Neil Young übt nach seinem Auftritt im Hotelzimmer immer japanischen Schwertkampf und braucht dafür viel Platz.
Das klingt ersteinmal plausibel. Es lässt sich allerdings auch kaum mehr überprüfen, ob sich nicht irgendwann einmal ein Missverständnis eingeschlichen und im Laufe der Jahre verhärtet hat. Vielleicht nämlich hat sich Anfang der 80er Jahre, als der jetzige Manager noch Praktikant war, sich ein ihm Vorgesetzter einen Scherz erlaubt: auf die Frage des damaligen Praktikanten hin, was noch zu tun sei, bekam dieser die Antwort: das ganze Zimmer von Neil muß komplett ausgeräumt werden, weil der übt dort immer nach dem Auftritt japanischen Schwertkampf. Daraufhin ließ der damalige Praktikant und jetzige Manager, übereifrig und um seinen Job besorgt, das Hotelzimmer komplett ausräumen. Aufgrund der herrschenden und systematischen Entfremdung und des dauernden Drogenkonsums von Neil Young fiel der blinde Gehorsam des ehemaligen Praktikanten und jetzigen Managers niemandem als Fehler des Managements auf. So wird also das Zimmer von Neil Young seit Jahrzehnten Nacht für Nacht, Hotel für Hotel, komplett entleert. Neil Young kennt es nicht mehr anders und denkt, Hotelzimmer sind leer, leidet jedoch unter Rückenschmerzen, weil der Fussboden ist hart und er nicht mehr der Jüngste.
Er hatte im Übrigen auch noch nie ein japanisches Schwert. Er hat das japanische Schwert nur einmal als Symbol in einem Songtext, für einen Song, den er ebenfalls längst vergessen hat, der aber als Pausenmusik in der Telefonwarteschlaufe seiner Bookingagentur läuft, verwendet.
So hocken nun also Prince und Neil Young schlecht gelaunt, unausgeschlafen und mit Rückenschmerzen in einer Sauna in Reykjavik, was natürlich kein Zufall ist, sondern selbst eingebrockt.
In der Meinung, sie seien im Besitz eines Apparates, der in Wirklichkeit sie besitzt, verteidigen sie einen Apparat, über den sie keine Kontrolle mehr haben, der nicht mehr, wie sie noch glauben, Mittel für die Produzenten ist, sondern Mittel gegen die Produzenten wurde.
Und weil ihm dazu nichts einfällt, sagt Prince schliesslich zu Neil Young: ‚komm Neil, lass mal rausgehen aus der Sauna, ich kenn einen Laden in der Stadt, da gibt’s richtig gute Hackbällchen und Mettbrote. Wir saufen uns einen dazu an und besuchen dann Björk, die kann so schön singen. Das is doch auch was wert.’ Aber Neil sagt daraufhin: ‚Prince, ich mag das nicht, wenn du so versöhnlich wirst. Und Hackbällchen, nein Danke! Die ganze Welt ist doch aus Hack. Ich geh lieber auf mein Zimmer und sauf allein.’

So, und jetzt bitte das ganze Set.

Ende

AtomicTitCorporation
Lecture-Performance vom 30.11.2011
für Eine Welt Aus Hack, „Thee Ausstellung“ im WestGermany, Berlin
www.atombusentransporte.de